Der Kampf gegen die Hausfrauen

 










 

Sind Vollzeitmütter voremanzipatorische Wesen,

deren Tätigkeiten im besten Fall überflüssig,

aber in der Regel schädlich sind?

Ein Kommentar von Kostas Petropulos.


 

München (www.kath.net / idea) Deutschland geht der Nachwuchs aus. Damit sind Renten-, Pflege- und Krankenversicherung, ja der gesamte Staatshaushalt langfristig nicht mehr sicher. Bei der fieberhaften Suche nach den Ursachen geraten zunehmend die Hausfrauen ins Visier. Zum Beispiel im siebten Familienbericht der Bundesregierung vom April dieses Jahres, der den Müttern vorhält, dass sie lieber nach mehr Freizeit statt nach mehr Erwerbstätigkeit strebten.

Oder in der Wochenzeitung „Die Zeit” (Hamburg), die am 13. Juli die maßlose Polemik einer Redakteurin gegen Hausfrauen abdruckte. Im Kern seien Vollzeitmütter voremanzipatorische Wesen, deren Tätigkeiten im besten Fall überflüssig, aber in der Regel schädlich sind. Ihre Bereitschaft, sich unter Aufgabe des Berufes persönlich und mit vollem Einsatz um die Entwicklung ihrer Kinder zu kümmern, verhindere den flächendeckenden Ausbau von pädagogisch wertvollen Krippen und Ganztagsschulen.

Dafür würden sie vom herrschenden Patriarchat dank des Ehegattensplittings angeblich mit bis zu 1.000 Euro monatlich staatlich subventioniert. Und es sei „Deutschlands fürchterlichstes Investitionsdebakel“, Frauen auszubilden, die dann später nicht berufstätig sind.

Wertlose Familienarbeit?

Angesichts dieser Ausfälle kann man nur den Kopf schütteln. Zum einen, weil hier meist Frauen wieder einmal ihre Unfähigkeit demonstrieren, gemeinsam für das Recht und die tatsächliche Möglichkeit einzutreten, über das Leben mit ihren Kindern selbst frei und ganz unterschiedlich zu entscheiden. Zum anderen, weil damit die stark erwerbsorientierten Frauen den Wert der alltäglichen Familienarbeit herunterreden - genauso wie viele Männer.

Leistung ohne Bezahlung

Dass diese arbeitsmarktferne Arbeit tatsächlich gewaltige Werte schafft, haben Fachleute immer wieder vorgerechnet. So hat der fünfte Familienbericht bereits im Jahr 1994 den Wert dieser so genannten Humanvermögensbildung auf rund acht Billionen Euro (!) beziffert. Das Sachvermögen (Maschinen und Anlagen) lag dagegen nur halb so hoch. Die geleistete unbezahlte Hausarbeit liegt mit rund 96 Milliarden Stunden fast um das Doppelte höher als die Zahl aller bezahlten Arbeitsstunden.

Laut Statistischem Bundesamt liegt der Bruttowert der pro Kind geleisteten Familienarbeit bei monatlich rund 1.300 Euro. Eine kürzlich veröffentlichte US-Studie veranschlagte die Leistung einer Vollzeitmutter sogar auf 107.000 Euro im Jahr. Würden im Übrigen die Eltern komplett ausfallen und die Kinder müssten ins Heim, fielen für den Staat monatliche Gesamtkosten von 3.000 bis 7.500 Euro je Kind an!

Was die Gesellschaft zerstört

Die Diffamierung familiärer Erziehungsarbeit ist zudem ein ungewollter Beitrag zur weiteren Zerstörung unserer Gesellschaft durch den immer totalitäreren Anspruch der Wirtschaft auf den einzelnen. Überstunden, flächendeckende Arbeitszeitverlängerungen, am jeweiligen Produktionsbedarf orientierte flexible, leistungsverdichtete Arbeitszeiten rund um die Uhr, falls nötig an jedem beliebigen Ort auf der Welt – all das sind mittlerweile selbstverständliche Anforderungen an Berufstätige.

Anforderungen, die immer mehr Familien auf eine sie letztlich überfordernde Belastungsprobe stellen – wenn es unter diesen Bedingungen überhaupt noch gelingt, einen Partner zur Familiengründung zu finden. Anforderungen, die letztlich unser gesamtes soziales Leben in den Kommunen, den Kirchengemeinden und Verbänden auszutrocknen drohen.

Deshalb ist nicht der Kampf gegen die Hausfrauen angesagt, sondern die Verteidigung und Anerkennung ihrer Sphäre. Einer Sphäre, die nicht nur eine materielle Entlohnung verdient (Stichwort Erziehungsgehalt), sondern deren selbst bestimmte und auf menschliche Nähe zielenden Gestaltungsmöglichkeiten auch verstärkt von (Haus-)Männern genutzt werden sollten. Einer Sphäre, deren Grenzen von Wirtschaft und Politik nicht länger missachtet werden dürfen.

 

03. August 2006