Ärzte warnen vor unnötigem Kaiserschnitt
Weltgesundheitsorganisation und Europaparlament schlagen Alarm: Die Zahl an Kaiserschnitten steigt rapide an. Ärzte sprechen nun vielen Kaiserschnitten die Notwenigkeit ab und weisen auf die Nachteile hin.
Nach einem Bericht der Salzburger Nachrichten kommt auch in Österreich beinahe jedes vierte Kind durch Kaiserschnitt auf die Welt. Eine Zahl, die von manchen Ärzten als weitaus zu niedrig angesetzt wird.
Privatspitäler: Beinahe jede zweite Geburt per Kaiserschnitt
In Privatspitälern und Universitätskliniken werden bereits 40 Prozent und mehr der Kinder durch Kaiserschnitt geboren, sagt der Vorstand der Geburtshilfeabteilung im Wiener Rudolfspital und der Semmelweis-Frauenklinik, Werner Grünberger, im Gespräch mit Ö1.
Angst bei Müttern und Ärzten
Als wichtigste Gründe sieht Grünberger zu große Angst und
Vorsicht sowohl von den Müttern als auch von Ärzten:
"Vor hundert oder zweihundert Jahren haben Frauen sechs, sieben Kinder bekommen.
Und manchmal ist eines gestorben. Heute bekommen Frauen nur mehr ein Kind. Wenn
das eine stirbt, wäre das ein Wahnsinn. Das heißt also, der juridische, der
forensische Druck auf den Geburtshelfer ist natürlich sehr groß."
Weil es weniger Geburten gibt, fehlt den Ärzten dann manchmal auch die Erfahrung
insbesondere mit Risikogeburten.
Frauen wollen Geburtsschmerzen vermeiden
Frauen ziehen häufig den Kaiserschnitt vor, weil sie Angst
vor Geburtsschmerzen haben - zu Unrecht, wie Grünberger meint:
"Die Frau bekommt den gleichen Kreuzstich, den sie bei der
Kaiserschnittoperation bekommt, auch bei der Spontangeburt. Das heißt, wenn der
ordentlich funktioniert, kann die Frau nahezu schmerzlos ein Kind gebären. Und
in der Sekunde nach der Geburt ist sie schmerzfrei, sie kann duschen, sie kann
das Kind auf den bauch legen, hat dort keine Wunde, sie kann es stillen von
Anfang an."
Zahlreiche Nachteile des Kaiserschnitts
Aus eigenen Untersuchungen, die demnächst veröffentlicht werden sollen, ließen
sich auch klar die Nachteile und Gefahren eines Kaiserschnittes erkennen, sagt
Grünberger:
"Die Mütter haben ein schlechteres Blutbild, sie haben einen längeren
Spitalsaufenthalt, sie haben mehr Schmerzen, sie haben häufiger Infektionen, sie
haben schlechteres "bonding" d.h. Beziehung zu dem Kind."
Langfristige Studien nötig
Diese Untersuchung sei sehr kurzfristig nach den Geburten gemacht worden, sagt Grünberger. Längerfristige Studien würden seiner Meinung nach noch schlechtere Ergebnisse bringen.
Angst vor Lustverlust unbegründet
Ein häufig genannter Grund für eine Kaiserschnittgeburt
sei die Angst der Frauen, eine Spontangeburt verringere die Fähigkeit und die
Lust der Frau zum Sex.
Wenn das so wäre, wären wir längst ausgestorben, meint Grünberger.
10-15 Prozent Kaiserschnitt-Geburten sind notwendig
In den USA geht der Trend mittlerweile wieder zurück zu
Normal- oder wie die Mediziner sagen: Spontangeburten.
Freilich, ganz ohne Kaiserschnitt geht es nicht, weiß auch Geburtshelfer
Grünberger: Etwa zehn bis 15 Prozent aller Kinder müssen aus medizinischen
Gründen per Kaiserschnitt zur Welt gebracht werden.
Franz Simbürger, Ö1 Wissenschaft, 9.9.05