SPIEGEL ONLINE - 28. Mai 2004, 15:51
 

Anti-Porno-Kirche
 
Help, my husband is süchtig!

Von Frank Patalong

Männer mögen Frauen und sie sehen sie gern nackt. Das, sagen die Betreiber von xxxchurch, ist so, weil Gott das so gewollt hat: "Die Schönheit der Frau kommt aus Gottes Herzen, doch die Lust kommt aus unserem." Zeit, sie zu bekämpfen: mit der "christlichen Pornoseite Nummer 1" gegen Pornografie und Onanie.

 

Deutliche Worte: die xxxchurch empfängt ihre Besucher mit plakativen Slogans
Deutliche Worte: die xxxchurch empfängt ihre Besucher mit plakativen Slogans

"Betet für mich!" drängt "luckee" im Forum der xxxchurch, denn ihn quält ein Problem: Gerade einmal in der Woche sieht er seine Freundin, und immer wieder lassen sich die beiden von der Lust übermannen. So weit, so gut, doch das verträgt sich nicht mit dem Glauben der beiden "Wiedergeborenen". Vorehelicher Sex ist Tabu, auch, wenn man wie die beiden bereits die Verlobung plant.

Die aber, schreibt luckee unter dem Beifall der Forumsteilnehmer, komme ja wohl nicht in Frage, bis ihre Beziehung wieder rein und ohne Sünde sei. Im Forum bekommt der verzweifelte junge Mann den ernsten Rat, mit seiner Noch-nicht-Verlobten zu intime Orte zu meiden und sich bei jedem Treffen mit befreundeten Christen zu umgeben. Das sei zwar hart, lohne aber den Einsatz.

In anderen Räumen des Forums verabreden sich junge Männer, 40 Tage nicht zu onanieren. In etlichen rufen Frauen oder manchmal Männer um Hilfe, weil sie entweder von der "sexuellen Sünde" nicht lassen können, oder aber der Partner ihr verfallen sei.

Und immer wieder rückt das große Thema der Website in den Mittelpunkt: Satan, der große Verführer, verkörpert durch die Millionen pornografischer Seiten im World Wide Web. In den redaktionellen Teilen der Seite kommt er nicht vor, das Forum aber ist voll von ihm. So wie das Web.

Web-Missionare

 

Mike Foster und Craig Gross: Missionare gegen die Unzucht
Mike Foster und Craig Gross: Missionare gegen die Unzucht

Genau darum haben Craig Gross und Mike Foster die xxxchurch vor zwei Jahren aus der Taufe gehoben. Die Kirche, sagen sie, unternähme ja nichts gegen die Flut der Pornografie, "deshalb haben wir beschlossen, vorzutreten und etwas zu tun". Außerhalb des "normalen Rahmens der Kirche", weil sie "Gläubige und Weltliche" erreichen wollten. Fest im Glauben, denn "die Kirche" ist ihre Kirche: Die beiden sind Pastoren.

Und sie sind Medienstars im Amerika des neuen Jahrtausends, in dem das pure Wort Gottes wieder an Gewicht zu gewinnen scheint wie seit dem vorletzten Jahrhundert nicht mehr. Sie vertreten ein Christentum, das von seinen Gläubigen mit freundlichem Gesicht streng Enthaltsamkeit verlangt: Die Abkehr von Pornografie und Internet, von vorehelichem Sex, Onanie, Masturbation und unkeuschen Gedanken.

Das geht so: Wer sich nicht nur auf das Gespräch mit- und das Beten füreinander, sondern auch auf das von den beiden Jungpfarrern entworfene Programm zur Abkehr vom Sündenpfad einlässt, hat einiges vor sich.

Variante 1: Entwöhnung vom Sex-Surfen

Kern des Konzeptes ist das Monitoring durch die so genannte Verantwortungs-Software. Jeder Teilnehmer bekommt zwei Partner zugewiesen, die in regelmäßigen Abständen die Liste der vom Beobachteten angesurften Websites zugesandt bekommen. Ihnen gegenüber muss der Teilnehmer Rechenschaft ablegen, so zu sagen die Hosen herunter lassen: Das Prinzip erinnert an die Anonymen Alkoholiker.

Tatsächlich sehen nicht nur die Betreiber der xxxchurch Voyeurismus und jede andere Form "sexueller Lust" als Sucht, von der es sich zu trennen gilt. Eine Frau aus Deutschland ruft im Forum um Hilfe, "my husband is süchtig". Er klebe vor dem Monitor und sehe sich Pornoseiten an. Die Ehe laufe auch nicht gut.

 

"Jesus loves Porn Stars": xxxchurch gibt sich frech, um eine fromme Botschaft an den Mann zu bringen
"Jesus loves Porn Stars": xxxchurch gibt sich frech, um eine fromme Botschaft an den Mann zu bringen

"Tenletters" weiß, wie das Problem zu lösen wäre: Sie müsse ihren Mann darüber aufklären, dass das Betrachten nackter Frauen, mit denen man nicht verheiratet ist, in den Augen Gottes einen Akt des "Ehebruchs im Herzen" darstelle. "Viele Dinge", schreibt er, "tun wir nur, weil wir nicht wissen, dass sie verboten sind."

Ob der Frau damit geholfen ist, hängt auch davon ab, wie ihr Mann drauf ist: Der lebt schließlich in einer weit stärker säkularisierten Gesellschaft, in der diese Form einer amerikanisch geprägten Frömmigkeit vielen sehr befremdlich erscheinen muss.

Doch es gibt ja noch Dinge, die sind universal, die gelten überall. Craig und Foster etwa wissen ganz genau, warum Männer sich im Web nackte Frauen ansehen wollen: Gott habe die Frau schließlich schön gestaltet, damit sie dem Mann gefalle. Deshalb sähen sie alle Männer gern nackt. Doch Gott habe die Frau nicht schön gemacht, damit man Bilder von ihr im Web anschaue. "Ihre Schönheit kommt aus Gottes Herzen, die Lust aus unserem". Männer, die diese Anziehungskraft der Frau nicht wahrnehmen, hätten übrigens "ein anderes Problem", um das sich aber andere Webseiten kümmerten.

Variante 2: Die volle Packung

Auch für harte Fälle, die sich so nicht kurieren lassen oder deren Probleme mit sexuellen Sünden oder Lust weiter gehen, hat xxxchurch ein passendes Programm. Zehn Wochen lang wird der Teilnehmer informiert und betreut: Jede Woche muss er (oder sie) Schulungsmaterialien bearbeiten, 30 Minuten lang mit zugewiesenen Betreuern sprechen, seine (oder ihre) Sucht offenbar machen.

Der therapeutisch gedachte Ansatz wird für Männer, Jugendliche, für Frauen, für Ehefrauen (offenbar ein Unterschied) und für Eltern angeboten. Er kostet zwischen 975 und 1750 Dollar. Man kann sich selbst anmelden, aber auch Partner oder Kinder.

Das klingt alles sehr fromm und seltsam rückwärts gewandt, es klingt nach Überwachung, die sich Hilfe nennt, kommt aber spritzig und humorig daher. xxxchurch wagt Grenzwertiges: "Jesus loves Porn Stars" heißt es auf einem der zahlreichen Plakate, die die Webseite anbietet. Der Gegensatz wird immer wieder gepflegt. Fragt eine Frau, wie ihr Mann von "sexueller Sünde" zu kurieren sei, heißt die Antwort: "Sag ihm, Jesus ist besser als Sex".

Was verblüfft, ist die Ernsthaftigkeit und Begeisterung, mit der auch die amerikanischen Medien das stramm-fromme Angebot aufnehmen. Kaum eine große Zeitung, in der Craig und Foster noch nicht erwähnt, besprochen, gefeiert wurden. Sie finden Geldgeber für Radiospots, Fernsehwerbungen und kleine Filmproduktionen. Sie lassen das "Pornmobil" als Werbeaktion durch Amerika fahren. Sie geben Interviews und beraten andere, wie sie ähnliche Projekte aufziehen könnten. Sie haben Gastauftritte bei CNN, FOX und ABC, finden sich in "USA Today", der "LA Times", aber auch in "Penthouse".

Der Service-Mix aus Information, PR, kostenlosen Telefon-Hotlines (Montag bis Freitag 6 bis 21 Uhr), dem "Verantwortungs"-Programm und der "Help at Home" ist offenkundig ein Fulltime-Job. Im Web erscheinen die Porno-Bekämpfer wie Popstars.

"Mission" bedeutet "Auftrag"

Die Medien feiern die Aktion, weil sie sich gegen einen so offensichtlich verwerflichen Gegner richtet: Keine Frage, das Porno-Business ist ein zynisches Geschäft mit oft mafiosen Strukturen, in denen Werte wie Menschenwürde nicht zählen. Auf dem "Porn Boulevard" geht alles, wofür gezahlt wird. An Aktionen, die sich dagegen richten, krittelt man nicht herum.

Die größte Skepsis schlug Craig und Foster und ihrer xxxchurch noch aus dem fundamentalchristlichen Lager entgegen. Doch selbst da enthält man sich inzwischen der Kritik am schrillen Auftreten der "Christlichen Pornoseite Nummer 1".

Auch im Bible-Belt hat man begriffen, dass man der sexualisierten Webwelt vielleicht nur dann beikommt, wenn man etwas ähnlich Schrilles entgegensetzt. Nur Andersgläubige dürfen gern draußen bleiben, wenn es nach den "Gemeindegliedern" im Forum geht: Da nur im Christentum die Beziehung zu Gott eine persönliche sei, gilt ihnen jede andere Religion als falsch, als Irrweg.

Kein Zweifel: Craig und Foster und ihre Internet-Gemeinde sind "unterwegs im Auftrag des Herrn". Und wie im legendären Blues-Brothers-Film ist das eine Botschaft, hinter der sich konservative Katholiken so gut versammeln können wie strenggläubige Kreationisten und fundamentalistische Wiedergeborene.
 
 

  xxxchurch: die "christliche Pornoseite Nummer 1"
 

http://www.xxxchurch.com



 


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