TV-Moderator Hanno Gerwin hilft
Prominenten, ihren Glauben zu formulieren.
Zweihundert Prominente haben Sie bereits
zu ihrem Glauben befragt. Wen wünschen Sie sich noch?
Hanno Gerwin: Generell interessieren mich Prominente, die
interessante Aussagen in punkto Glaube noch nicht öffentlich geäußert
haben. Es gibt daher noch einige: von Götz George und Herbert Grönemeyer
über Angela Merkel bis hin zu Robert de Niro oder Phil Collins.
Religion ist für viele etwas sehr
Persönliches. Gleichwohl äußern sich immer mehr Prominente zu ihrer
Überzeugung. Wie erklären Sie sich das?
Gerwin: Den Vorbehalt, dass Religion eigentlich etwas zu Persönliches ist,
um öffentlich darüber zu reden, höre ich oft – auch von Prominenten. Sie
tragen ja nun ihren Glauben nicht offen vor sich her. In meiner Sendung
versuche ich deshalb, eine vertrauensvolle Atmosphäre zu schaffen und
dafür zu werben, im Gespräch doch das eine oder andere herauszulassen.
Meistens gelingt es auch.
Die Terroranschläge vom 11. September
2001 werden oft als Zeitenwende einer allgemeinen religiösen
Neuorientierung gewertet. Sehen Sie das mit Blick auf die Stars auch so?
Ich glaube nicht, dass der 11. September Auslöser für eine religiöse
Neuorientierung in Deutschland war. Dieser Tag war vor allen Dingen ein
Schock für Amerika, wo die Einstellung zum Religiösen sowie die
Bereitschaft, darüber zu reden, viel ausgeprägter als bei uns ist.
Wenn hierzulande Prominente über ihren
Glauben reden oder man allgemein eine größere Offenheit für religiöse
Fragen feststellen kann, dann hängt das für mich sehr viel mehr mit dem
Ende der Wohlstandsgesellschaft zusammen. Ungeachtet einer sehr
bedauerlichen und auch dramatischen Bedürftigkeit ist es doch so, dass in
der Breite der Bevölkerung ein gewisser Wohlstand vorhanden ist.
Mittlerweile jedoch reift die Erkenntnis heran, dass materielle Werte
einfach nicht glücklich machen. Deswegen sind viele auf der Suche.
Welche religiösen Strömungen kommen denn
bei den Prominenten besonders häufig vor?
Oft stelle ich eine ziemlich bunte Mischung verschiedenster
Glaubensvorstellungen fest. Das kommt unter anderem daher, dass die
religiösen Einstellungen der Prominenten häufig nicht mit dem Bekenntnis
einer Kirche oder Konfession verbunden sind, sondern gewissermaßen frei im
Raum schweben. Wenn ich dann darauf hinweise, dass ihre Ansicht auch in
der Bibel zu finden ist, oder dass Jesus Ähnliches formuliert hat, sind
manche Prominente erstaunt darüber, wie dicht sie im Grunde bei einem
klassischen Bekenntnis stehen, ohne dass sie davon gewusst haben. Das
hängt auch damit zusammen, dass Promis eher selten in die Kirche gehen.
Ihre Woche ist einfach nicht so strukturiert, als dass ihnen der Sonntag
dafür zur Verfügung steht. Daher versuche ich als Theologe den Prominenten
zu helfen, den Glauben zu formulieren. Manchmal werde ich auch nach der
Aufzeichnung gefragt, wie ich denn diesen oder jenen Zusammenhang
interpretiere.
Viele Promis mixen sich ja einen bunten
Cocktail aus der spirituellen Vielfalt. Wie kommt das?
Prominente sind gewohnt, ihre Themen selber zu definieren beziehungsweise
im Mittelpunkt zu stehen und das Publikum um sich zu scharen. Von dieser
Ausgangslage her ist es auch verständlich, dass sie sich ziemlich
selbstverständlich anmaßen, die Inhalte ihrer Religiosität selbst zu
bestimmen. Natürlich ist das ein Problem, denn zum Wesen jeder Religion
gehört ja gerade, dass man seine menschliche Existenz der viel größeren,
göttlichen, universellen Wahrheit und Macht unterordnet. Es ist nicht so,
dass Prominente das nicht verstehen würden oder diese Form von Demut
völlig ausschalten. Nur bedeutet es oft für sie einen zweiten Schritt,
tatsächlich die Kraft oder Macht Gottes persönlich zu erfahren.
Hat ein Star da noch andere „Quellen“ als
der Normalbürger?
Nein, im Grunde ist er, wie jeder andere Mensch auch, davon abhängig, dass
Gott sich ihm offenbart. Smudo von den Fantastischen Vier sagt zum
Beispiel, dass er gerne glauben würde, aber es ihm leider nicht geschenkt
ist. Der Schauspieler Rufus Beck bekannte sogar einmal, dass er nicht das
Talent zum Glauben habe und ein Starcoiffeur wie Udo Walz sagt, dass er
gerne glauben würde, aber er bisher noch niemanden getroffen hat, der ihm
dabei helfen könnte.
Gibt es einen Gast, der Sie mit seiner
Ansicht überrascht hat?
Fast alle Prominenten haben mich irgendwie überrascht. Das ist auch der
Grund, warum ich persönlich diese Interviews immer gerne führe. Ganz
besonders fasziniert hat mich jedoch Andrea Kathrin Loewig, die zurzeit in
der deutschen Fernsehserie „In aller Freundschaft“ spielt. Die
Schauspielerin stammt aus der ehemaligen DDR, hat keinerlei religiöse
Sozialisation erfahren und trotzdem aufgrund ihrer eigenen Einsicht, ohne
dass daran die Bibel, ein Pfarrer oder Kirchengemeinden beteiligt waren,
eine dem christlichen Glauben sehr ähnliche religiöse Einstellung gefunden
– auch mit der dazugehörigen Demut vor Gott und der Achtung für die
Mitmenschen. Mich hat das sehr überrascht, weil sich offensichtlich ein
Mensch von sich aus zum christlichen Glauben hin entwickeln kann. Das
hätte ich bis dahin nicht für möglich gehalten.
Wie kann man überhaupt das
Glaubensbekenntnis eines Stars werten? – Als spirituelles Statement,
PR-Gag oder tiefgründige Überzeugung?
Keine der drei Beschreibungen trifft im Grunde zu. Ich glaube, die
Antworten der Stars liegen dazwischen. Einerseits sind es
Erfahrungsaussagen, andererseits Versuche zu formulieren, was man glauben
könnte. Ab und zu blitzt dann auch mal eine etwas tiefgründige Überzeugung
durch. Manche stellen sich in meinem Interviews aber auch etwas frommer
dar, als sie es in Wirklichkeit sind – weil sie vielleicht glauben, dass
ich das so erwarte.
Denken Sie denn, es ist wichtig für die
Fans zu wissen, was ihre Stars glauben?
Nicht nur für Fans ist das sehr wichtig, sondern auch die breite
Öffentlichkeit hat ein Interesse daran. Das zeigt mir unter anderem die
Resonanz auf unsere Sendungen. Im Grunde ist das ja auch unser Anliegen
und insofern werden wir da bestätigt. Denn wenn Menschen durch die
Glaubensaussagen eines bekannten Star zum Nachdenken angeregt werden,
hoffen wir, dass sie sich darüber ein eigenes Urteil bilden und ihren
eigenen Glauben versuchen zu formulieren.
Interview: Stefan Rüth
Zur Person:
Hanno Gerwin (52) studierte evangelische Theologie in Tübingen und
Heidelberg ehe er eine journalistische Laufbahn begann. 1987 gründete er
den Evangelischen Rundfunkdienst Baden als Agentur und Produzent für
Radio- und Fernsehstationen, u. a. für BIBEL TV, BigFM und Radio
Regenbogen. Privat lebt Gerwin mit seiner Familie im Elsass.
„GERWIN TRIFFT“
Zwischen Showbühne und Sendepause spricht Hanno Gerwin mit prominenten
Persönlichkeiten über den Glauben. Vor vier Jahren wurde „Gerwin trifft“
bei den internationalen „The New York Festivals“ mit der Silbermedaille
für Religiöses Programm ausgezeichnet. Inzwischen hat er fast 200
Gespräche geführt. Eine Auswahl davon veröffentlichte er in dem Buch „Was
Deutschlands Prominente glauben“ (Gütersloher Verlagshaus). Alle
Interviews gibt es auch im Internet unter
www.gerwin.de .