Der rockende Abt
Sein Musik-Übungsraum in der Abtei Sant' Anselmo in Rom ist vorsorglich
schallisoliert. „Nichts schöneres, als nach einem anstrengenden 16 Stunden
Arbeitstag die E-Gitarre auszupacken und eine viertel Stunde loszulegen“,
sagt Abtprimas Notker Wolf. Der ranghöchste Benediktiner von weltweit 8.000 Mönchen
und 16.000 Nonnen liebt Rockmusik. Wann immer er Zeit hat, tritt er mit seiner
Band „Feedback“ auf. In schwarzer Kutte, mit Abtkreuz und E-Gitarre - ein
ungewöhnliches Hobby für einen hohen Würdenträger der katholischen Kirche.
„So viel Freiheit muss einfach da sein“, sagt Notker Wolf, dem manchmal
die innerkirchlichen Debatten um die eine oder andere päpstliche Anordnung
eher lebensfern erscheinen. Wichtiger als theologische Dispute sind ihm die
Sorgen und Probleme der Menschen, denen er rund um den Globus begegnet.
200.000 Flugmeilen im Jahr ist der 64-Jährige unterwegs zu den Benediktinerklöstern
auf der ganzen Welt: „Ich hoffe nur,“ so sagt er, „dass mir einmal im
Fegefeuer all die Wartezeiten und Verspätungen abgezogen werden.“
Notker Wolf kennt die Probleme auch in den armen Ländern der Welt im Detail.
Er spricht 13 Sprachen. Vor seiner Wahl zum Abtprimas war der gebürtige Allgäuer
Erzabt der Missionskongregation St. Ottilien und schon damals zuständig für
20 Klöster und Abteien mit insgesamt 1.100 Mönchen in Asien, Südamerika und
Afrika.
Seit vier Jahren ist er Abtprimas und höchster Repräsentant der
Benediktiner. Er residiert an einem der schönsten Orte Roms, in Sant' Anselmo
auf dem Aventin. Hierarchisch gesehen ist er somit ganz oben. Aber er mag
weder Titel noch Karrieredenken. Das verbinde ihn mit der 68er Generation,
sagt er. Der Protest gegen das Establishment, gegen den Muff in den Talaren.
Auch das Evangelium habe im Kern etwas „Anti-Institutionelles“ und das
gefalle ihm wiederum an der Rockmusik.
ARD